Seit 1.9.2018 dürfen Arbeitnehmer bis zu 60 Wochenstunden arbeiten. Das AZG schränkt diese Möglichkeit aber insofern ein, als in einem 17-wöchigen Durchrechnungszeitraum 48 Wochenstunden nicht überschritten werden dürfen. Der EuGH hat sich nun zur Frage geäußert, ob dieser Zeitraum fix ist oder auch gleitend eingehalten werden muss.
Im konkreten Fall ging es um einen Rechtsstreit zwischen einer französischen Polizeigewerkschaft und französischen Behörden wegen des Durchrechnungszeitraums für die Berechnung der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit.
Das Gericht stellte an den EuGH die Frage, ob die Bestimmungen der europäischen Arbeitszeitrichtlinie (RL 2003/88/EG) einer französischen Bestimmung entgegenstehen, wonach für die Berechnung der wöchentlichen Arbeitszeit fix definierte Bezugszeiträume herangezogen werden dürfen. Die Arbeitszeitrichtlinie legt fest, dass die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit 48 h nicht überschreiten darf. In Österreich wurde diese Vorschrift in § 9 Abs 4 AZG umgesetzt: demnach darf die durchschnittliche Wochenarbeitszeit innerhalb eines Durchrechnungszeitraumes von (grundsätzlich) 17 Wochen das Ausmaß von 48 h nicht überschreiten.
In Österreich (aber wohl auch in anderen Ländern) war bisher die herrschende Meinung, dass es sich um einen vorab festgelegten Zeitraum mit fixem Beginn und fixem Ende handeln muss. Um eine etwaige Kontrolle durch das Arbeitsinspektorat ermöglichen zu können war es daher erforderlich, dass sich aus den Arbeitszeitaufzeichnungen der Beginn und die Dauer des Durchrechnungszeitraumes ergibt (z.B. beginnend mit 1.1. bis 30.4.; beginnend mit dem individuellen Arbeitsjahr oder mit dem Beginn einer Durchrechnungsperiode bei Gleitzeitvereinbarung).
Der EuGH stellte kürzlich fest, dass die Arbeitszeitrichtlinie diese Frage nicht regelt, sodass es den Mitgliedstaaten grundsätzlich freistehe, die Bezugszeiträume nach ihrer Wahl zu bestimmen. Er wies jedoch auch darauf hin, dass selbst bei der Einhaltung der durchschnittlichen Höchstarbeitszeitgrenzen innerhalb des festen Bezugszeitraumes im Ergebnis lange Zeiten überdurchschnittlich hoher Arbeitsbelastung vorliegen können. Hier ein Beispiel: ein Arbeitnehmer arbeitet am Ende und am Anfang eines Durchrechnungszeitraumes mehrere Wochen lang 60 h; innerhalb des jeweiligen fixen Durchrechnungszeitraumes aber im Durchschnitt max. 48 h pro Woche. In diesem Fall kann es aber passieren, dass der Arbeitnehmer innerhalb von 17 Wochen mehr als 48 h im Schnitt arbeitet. Es läge im konkreten Fall also eine mögliche Gefährdung der Sicherheit und Gesundheit des Arbeitnehmers vor, obwohl dieser die Höchstarbeitszeitgrenzen innerhalb der fixen Durchrechnungszeiträume eingehalten hat.
Im Endergebnis verlangt der EuGH eine gleitende Betrachtung des Durchrechnungszeitraumes: auch bei fixen Bezugszeiträumen muss sichergestellt werden, dass der Arbeitnehmer die durchschnittliche Höchstarbeitszeit von 48 h zu jeder Zeit, also in einem nach vorn und zurück verschiebbaren Zeitraum von 17 Wochen einhält. Es bleibt abzuwarten, wie das Zentralarbeitsinspektorat (ZAI) auf dieses Urteil reagiert.